Sachverständiger – Dipl.-Forstwirt

Frauen an die Motorsäge

Bei diesem Kurs von Forstwirt Nils Tornow haben Männer nichts im Wald zu suchen

Stade. Drei Frauen stehen im Wald. Noch betrachten alle die Kettensägen mit Respekt. Bisher haben sie die scharfzahnigen Geräte höchstens für ihre Männer getragen. Jetzt dürfen sie selber sägen – und zwar beim Motorsägenkurs für Frauen von Nils Tornow. Mona Stephan machte den Selbstversuch.

Motorsägenkurs für FrauenFoto: Mona Stephan an der Kettensäge, Ausbilder Nils Tornow schaut zu. © Marcus Reichmann.

Es ist früher Morgen, 9 Uhr, und es regnet. Am Rande eines Waldstückes in Mulsum (Kreis Stade) stehen wir: Angelika Bardenhagen (54), Sibylle Pleger (35) und Mona Stephan (24). Wir wollen alle an die Kettensäge. Kursleiter Nils Tornow runzelt die Stirn, als ich ihm auf dem Weg in den Wald beiläufig erzähle, dass ich ein wenig Angst habe. „Wer Angst hat, sägt nicht“, sagt er konsequent. Ich korrigiere schnell, will ich doch an die Säge. „Ich habe Respekt.“ Nils Tornow nickt. „Das ist okay.“

Der Diplom-Forstwirt bietet seit rund vier Jahren Kurse zum richtigen Umgang mit Motorsägen an. Die Ausbildung in Theorie und Praxis dauert eineinhalb Tage und ist anerkannt von der Landesunfallkasse Niedersachsen und der Landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaft Niedersachsen-Bremen. Denn: Wer im Wald Brennholz machen will, muss nachweisen, dass er seine Motorsäge beherrscht und die Sicherheitsvorschriften kennt. Die Landesforstbehörden sowie viele kommunale und private Forstbetriebe lassen inzwischen nur noch Personen mit entsprechender Qualifizierung in ihre Wälder.

Angelika Bardenhagen ist Floristin. Sie gestaltet gern mit Holz. „Es nervt mich, dass ich meinen Mann ständig fragen muss, ob er mir ein Stück Holz absägen kann.“ Sie will, genau wie Freundin Sibylle Pleger, eigenständig arbeiten. Angelikas Ehegatte Klaus-Dieter besitzt einen zwei Hektar großen Wald mit vielen Bäumen zum Üben. Obwohl er Sägeprofi ist, absolvierte auch er einen Kurs bei Tornow, um sein Wissen zu verbessern. Gemeinsam mit Sibylles Mann Olaf, der die gesetzlichen Bestimmungen für die Baumarbeit erfüllen wollte.

Wir Frauen haben inzwischen die Theorie erfolgreich absolviert. Bei Kuchen und Schnittchen, die meine beiden Kurskolleginnen beigesteuert haben, lassen wir uns in vier Stunden alles über die Kettensäge zeigen. Nils Tornow hat Helm, Sägen und Ausrüstung dabei, um uns alles zu erklären. In einem Vereinshaus in Kutenholz sitzen wir mit Blick auf eine Power-Point-Präsentation von Tornow. „Nie mit dem oberen Viertel der Schienenspitze sägen“, warnt er, „dann entsteht ein unkontrollierbarer Rückschlag.“

Damit nichts passiert, gibt es unfallsichere Outfits. Eine Hose mit Schnittschutz blockiert im Notfall durch verwebte, lange und feine, reißfeste Fäden die Säge.

Schutzhose für 150 Euro

Sibylle und Angelika schmunzeln. Die Freundinnen waren vor ein paar Wochen Schnittschutzhose, Sicherheitsschuhe und Schutzhelm shoppen. In dem Fachgeschäft wurden sie von den männlichen Kunden skeptisch beäugt. „Sie wollen sägen?“, wurde Angelika gefragt. Als Sibylle ebenfalls auf den Mann traf, schüttelte der nur den Kopf.

Die Frauen nahmen es mit Humor. Eine passende Schutzausrüstung zu finden, war dennoch schwer. „Mir passten die Hosen nicht“, sagt Sibylle. So musste sie auf eine speziell geschnittene Frauen-Hose zurückgreifen: 150 Euro.

Jetzt stehen wir also da. Im Wald. In voller Montur. Zunächst gilt es, die Motorsäge richtig zu halten. Mit der linken Hand umfasse ich den oberen Griff, mit der rechten halte ich das Ende der Maschine. Mit dieser Hand muss ich gleich Gas geben. Die Maschine ist schwer. Ich korrigiere den Griff um ein paar Zentimeter und merke nur eine geringe Entlastung. Zum Starten darf ich die Motorsäge auf den Boden abstellen. Mit der rechten Fußspitze unter dem einen Griff und der linken Hand gewohnt am vorderen Griff versuche ich sie zu stabilisieren. Ruckartig ziehe ich an der Schnur, mit der man den Motor startet. Es ist still. Kein Motorengeräusch ist zu hören. Ich ziehe noch mal. Und noch mal. Es tut sich nichts. „Richtig mit Kraft“, höre ich Tornow sagen. „Frauen stellen sich in meinen Kursen oft besser an als Männer“, sagt Tornow. Der Forstwirt bietet seit 2008 spezielle Motorsägenkurse auch für Frauen an. Männer haben dann im Wald nichts zu suchen: „Manche Frauen verunsichert die Anwesenheit des stärkeren Geschlechts“.

Ich setze nun alle meine Kraft in die Schnur und siehe da – der Motor springt an. Schritt für Schritt spule ich alle Arbeitsschritte aus meinem Gedächtnis ab. Knopf verstellen. Anheben. Am Holz ansetzen. Entsperren. Gas geben. Wie ein Messer durch Butter gleitet meine zwei PS-Säge durch das Holzstück. Test am liegenden Holz bestanden.

Angelika ist die erste, die sich an einen verwurzelten Baum machen darf. Tornow geht mit uns die Schritte durch, dann gehen wir alle in unseren Sicherheitsbereich. Die 54-Jährige setzt sicher die Säge an, schneidet einen Keil, schneidet gegen und bringt den Baum dann mit Hilfe eines Fällhebers zum Umfallen. Es sieht einfach aus.

Der Baum ist 14 Meter hoch. Seine Äste ragen in alle Richtungen. „Du musst die Säge so ansetzen, dass der Baum anschließend in die Richtung fällt“, sagt Tornow. Ich habe Angst. Dem Forstwirt sage ich es dieses Mal nicht. Und dann mache ich das, was Angelika mir gerade vorgemacht hat. Der Baum fällt. Es regnet mittlerweile sehr stark, und ich weiß nicht, ob Schweiß oder Regen mein Gesicht nass gemacht haben. Stolz wische ich mir die Feuchtigkeit aus dem Gesicht. Ich habe einen Baum gefällt.

VON MONA STEPHAN, Weserkurier, 6. Feburar 2011