Sachverständiger – Dipl.-Forstwirt

Umwerfend

Wenn Frauen das „Sägen“ haben

Ein Mann, so heißt es, sollte einmal im Leben einen Baum gepflanzt habe. Die größere Herausforderung aber ist es, ein ausgewachsenes Exemplar umzulegen. Echte Männerarbeit! Mit schwerem Gerät ging es dabei in einem Waldstück bei Hagenah zur Sache. Allerdings nicht für das „starke Geschlecht“, sondern für drei weibliche Geschöpfe, die bei einem extra für ihre Spezies angebotenen Motorsägen-Kurs durchweg positive Erfahrungen machten. Das Foto zeigt die Kursteilnehmerinnen mit Kursleiter Nils Tornow.

 

Strahlende Siegerpose: Susanne

Wenn Frauen zur Säge greifen

Der erste Motorsägenkurs für weibliche Geschlecht – Aber Männern wird noch lange nicht der Ast abgesägt.

Hagenah. Unter fachkundiger Anleitung von Diplom-Forstwirt Nils Tornow aus Hagenah fällen Vera, Sandra und Susanne unter goldenen Herbstblättern Ihren ersten Baum, um ihn anschließend aufzuarbeiten und in tragbare Stücke zu zersägen.

Die zu großen Schutzstiefel sind der Beweis: Bisher wurde der Kurst ausschließlich von Männern belegt. Beim ersten Motorsägenkurs für Frauen im Landkreis, dem „Exotenkurs“, wie Nils Tornow ihn nennt, geht es sehr diszipliniert zu; den Skeptikern sei gesagt, dass niemand verletzt wurde.

„Die Frauen stehen den Männern in nichts nach“, lobt der Forstwirt die Teilnehmerinnen. Wie ihre männlichen Mitstreiter bekommen auch sie am Ende einen von der Landesunfallkasse Niedersachsen und der Landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaft Niedersachsen-Bremen „hochoffiziell“ zertifizierten Nachweis, den Motorsägenkurs für Brennholz-Selbstwerber (mit Baumfällen) absolviert zu haben. „Und Angela Merkel überreicht die Urkunden“, ulkt Grundschullehrerin Sandra, die sich ein Grundstück gekauft hat und darauf freut, für ihr Feuerholz selber sorgen zu können.
Nach dem Kurs habe sie keine Angst mehr vor dem Umgang mit der Säge, sagt sie.

Susanne macht den Anfang. Fachkundig beäugt sie „ihren“ Baum, einen jener dünnstämmigen, nach gewissenhafter Durchforstung mit roten Strichen gekennzeichneten Bergahorne, die zehn bis zwölf Meter in die Höhe ragen und den blauen Himmel fetzenweise durch ihre Baumkronen blitzen lassen. Nach dem Säubern des Arbeitsbereiches am Stamm, dem Bestimmen der Fällrichtung und Sichern des Fluchtbereiches wird der Schutzhelm zurechtgerückt und ohne Probleme die Kettensäge angeschmissen. Zuvor prüft Vera das Gewicht der Säge durch Anheben und verkündet ohne Zögern „Fünf Kilo – ein Katzenstreubeutel“.

Dann dringt der satte Zündungssound in die Gehörgänge, abgedämpft durch die Ohrenschützer. Ein leichtes Klopfen mit einem Stock auf den Helm ist das Zeichen, wenn keine Stimme mehr zu den Ohren durchdringt. Schnitt. Susanne bemerkt nebenbei, dass die Späne aussehen wie Parmesan. „Kannst ja mal probieren“, meint der sonst so besonnene Nils Tornow trocken, der eifrigen Susanne den am Helm befestigten Gesichtsschutz immer wieder fürsorglich herunterklappend. Der Kursleiter wird nicht müde, vor den nicht zu unterschätzenden Gefahren der Kettensäge wie vor dem Rückschlag zu warnen. „Wenn ihr nicht sägt, immer die Bremse rein“, mahnt er mit ruhiger Stimme, „

Der Fallkerb ist ausgesägt. Vor dem Sägen des Fällschnitts den Warnruf nicht vergessen, erinnert Nils Tornow. Da die Krone festhängt, muss der Drehzapfen her, um dem Baum den nötigen Platz zu verschaffen.

Dann ist es soweit. Mit dem Fällheber unter enormem körperlichem Einsatz bringt Susanne ihren Baum zu Fall. „Komm her du Sau“, feuert sie sich dabei selbst an und zeigt ein strahlendes Lachen in Siegerpose, als der Baum unter den Jubelrufen der anderen zu Boden geht. Wie ein Messer in weiche Butter taucht die Sägekette beim anschließenden Zerteilen des Stammes in das harte Holz.

Als passionierte Jägerin will Susanne sich vor ihren männlichen Kollegen nicht blamieren und ihnen in nichts nachstehen, sagt sie. Die „Mädchennummer“, mit piepsend unschuldiger zu fragen „Könnt ihr das für mich machen?“, nehme ihr ohnehin niemand ab, so die 1,80 Meter große Frau, die ihre langen Haare zu einem Pferdeschwanz gebunden hat.

„Gib alles, mach ihn fertig“, wird Vera, Management Assistant bei einer Schiffsfondgesellschaft, von ihren Mitsreiterinnen angefeuert. „Vielleicht ist die Aktion doch ganz gut für den Aggressionsabbau“, überlegt die zierliche Sandra laut. Nils Tornow wendet ein: „Bedächtigkeit und Umsicht sind bei dieser Arbeit gefragt“. Eine ernste Angelenheit, wissen die Frauen. Doch der Spaß kommt beim weiblichen Kettensägen-Trio nicht zu kurz. „Jetzt ist mir schön warm“, sagt Vera, deren blonde Locken frech unter dem Helm herauskringeln, nach vollbrachtem Werk. Das vergessene die routinierten Männer auch gern mal“. „Das ist ja auch der Sinn der Arbeit“, bemerkt Nils Tornow.

Die Kettensäge, das Sinnbild für Manneskraft, gefürchtetes Mordinstrument, beliebtes Künstlerwerkzeug oder von einem Baumarkt gepriesene Lösung bei Trennungsschwierigkeiten: Sägen Frauen jetzt auch noch an dem Ast dieser Männerdomäne? Die Zahl der kettensägenden Frauen lässt sich vermutlich so wenig feststellen wie die von stickenden Männern. Sicher ist, dass Frauen beim Anblick von großen Motorsägen im Baumarktregal eher selten glänzende Augen bekommen. Aber, die Wenigen wollen es sich selbst beweisen und anderen zeigen, dass sie es können – ganz ohne Männer. Und ihre „Kerle“, sagen die drei Frauen, sind davon begeistert. (Klar, dann müssen sie es nicht machen…)

„Es hat wahnsinnigen Spaß gemacht“, sagt Vera, die gern immer wieder etwas Neues ausprobiert und wie ihre Mitstreiterinnen zu Recht stolz darauf ist, einer weiblichen Minderheit anzugehören, für die das Kettensägen kein Problem ist.

 

 Stader Tageblatt, 22. Oktober 2008, Regina Ottens. Fotos: Ottens